Zum Bauernlexikon
Von „Nebenerwerb“ spricht man, wenn BäuerInnen einen Bauernhof nur „nebenbei“ führen. Diese „Teilzeit-BäuerInnen“ haben ein zweites berufliches Standbein abseits der Landwirtschaft. Mit ihm erwirtschaften sie einen Großteil ihres Einkommens. Die Einkünfte aus dem Verkauf landwirtschaftlicher Produkte (z. B. Pflanzen und Tiere) sind hingegen geringer.

Allgemein

Historische Entwicklung: „Wachse oder weiche“

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat die konventionelle Landwirtschaft weltweit einen tiefgreifenden Wandel durchgemacht: Es wurde versucht, immer mehr zu immer günstigeren Preisen zu produzieren. Der Nebeneffekt: hohe Investitionen – in Betriebsgebäude, Maschinen, Arbeitskräfte, Dünger, Flächenpacht usw. Der stetig steigende Aufwand für mehr Wachstum rentierte sich jedoch für die vielen kleinen Höfe in Österreich selten. Sie besaßen zu wenig Nutzfläche und kaum finanziellen Spielraum. Zahlreiche KleinbäuerInnen mussten daher in den letzten Jahrzehnten ihren Betrieb aufgeben (= „Bauernsterben“).

Zunahme des Nebenerwerbs:

Andere LandwirtInnen gaben nicht gänzlich auf, sondern betätigen sich vielmehr als „Teilzeitbauern“. Sie führen den Hof nur mehr im Nebenerwerb und suchten zusätzliche Erwerbsquellen:

Mittlerweile wird der Großteil der Bauernhöfe in Österreich im Nebenerwerb geführt.

Problematik:

Erstens: Nebenerwerb heißt meist hohe Arbeitsbelastung. Schließlich muss der Bauernhof neben einem regulären Hauptjob betrieben werden. Unter diesen Voraussetzungen ist es z. B. schwer, Landschaftspflegeleistungen im zu erbringen oder Bioprodukte zu erzeugen. Denn beides ist häufig mit erhöhtem Arbeitsaufwand verbunden. Und genau diese Zeit haben Nebenerwerbs-LandwirtInnen oft nicht. Zudem funktioniert ein Nebenerwerbs-Betrieb nur, wenn in akzeptabler Nähe zum Hof attraktive „Hauptjobs“ vorhanden sind.

Zweitens: Um die Nahrungsmittelversorgung trotz stetig sinkender Zahl an LandwirtInnen sicherzustellen, bewirtschaften die verbleibenden Vollerwerbs-BäuerInnen immer größere Flächen immer intensiver. In den 1950er Jahren ernährte ein österreichischer Bauer im Durchschnitt vier Personen. 1970 waren es bereits zwölf Personen, 2016 achtzig Menschen. Der Viehbestand pro Bauernhof steigt, am Acker werden hohe Mengen an Dünger und Pestiziden eingesetzt. Diese intensive Form der Landwirtschaft geht häufig auf Kosten der Artenvielfalt in der Natur. Und zulasten der Arten- und Sortenvielfalt bei Nutzpflanzen: in Monokulturen wird immer mehr vom Gleichen angebaut: Zwei Drittel der weltweiten landwirtschaftlichen Produktion werden heute von lediglich neun Kulturpflanzenarten erbracht (u. a. Mais, Soja, Weizen, Kartoffeln, Reis).

Zahlen & Fakten

Laut letzter Agrarstrukturerhebung hat die Zahl der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe in Österreich von 2010 bis 2016 um rd. 11.000 abgenommen – auf rd. 162.000 Betriebe. In anderen Worten: Jeden Tag gaben etwa fünf Betriebe auf. 1951 gab es noch 433.000 Betriebe in Österreich.

Im Jahr 2019 wurden in Österreich knapp 90.000 landwirtschaftliche Betriebe (55 %) im Nebenerwerb und knapp 58.000 im Haupterwerb geführt. (Dazu noch jeweils rd. 7.000 Betriebe von Personengemeinschaften bzw. von juristischen Personen.)

Die durchschnittliche Größe österreichischer landwirtschaftlicher Betriebe nahm zwischen 1995 und 2016 deutlich zu: von 32 Hektar auf 45 Hektar. Fast verdoppelt hat sich im gleichen Zeitraum die durchschnittliche Ackerlandfläche pro Bauernhof: von 10 Hektar auf gut 19 Hektar. Der Trend zur Größenzunahme zeigt sich auch in der Tierhaltung: 1995 hielt ein österreichischer Bauernhof im Schnitt 20 Rinder, 2016 waren es 32. Der durchschnittliche Schweinebestand verdreifachte sich im gleichen Zeitraum fast: von 35 auf 109 Tiere pro Betrieb.

Quellen:

Statistik Austria, BMNT („Grüner Bericht 2019“), Martin Grassberger – Das leise Sterben (Residenz Verlag, 2019)

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