Biodiversität und nachhaltige Landwirtschaft Persönlichkeiten mit Vorbildcharakter
BirdLife Österreich und die REWE International AG haben im Jahr 2014 gemeinsam mit der OPST Obst Partner Steiermark die Initiative Blühendes Österreich gestartet. Das Kernanliegen dieser drei Akteure war es, ein Programm zur Unterstützung landwirtschaftlicher Produzenten und bäuerlichen Betrieben bei Biodiversitätsmaßnahmen und beim Erhalt und der Pflege naturschutzfachlich wertvoller Flächen zu schaffen. Dieses eigene Programm heißt FLORA – Förderung von LandwirtInnen und Landwirten und Organisationen zur Rettung unserer Artenvielfalt. Mit FLORA werden mittlerweile 140 Betriebe unterstützt und knapp 600 Hektar bedrohte Biotope wie Moore, Feuchtflächen, Trockenrasen, Steppen und Mager wiesen geschützt. Gemeinsam mit weiteren Partnern wie Gemeinden, NGOs oder Bildungseinrichtungen wird eine regionale Wirkung zur Sicherung der Biodiversität und Stärkung nachhaltiger landwirtschaftlicher Akteurinnen und Akteure angestrebt. Die Bandbreite der FLORA Partnerinnen und Partner reicht von den Apfel/Obstbetrieben in der Steiermark (OPST Obst-Partner Steiermark), Weidenschaf und, Ziegenbetrieben sowie Winzerbetrieben in Niederösterreich über Bergbauernbetriebe in Kärnten und Gemüseproduzenten in Burgenland (Seewinkler Sonnengemüse). Über weitere Projektaktivitäten durfte Blühendes Österreich Persönlichkeiten mit starken Biodiversitätszielen über Projektmaßnahmen unterstützen. So wurde 2018 mit der ARGE Streuobst Österreich eine Kooperation gestartet und die schönste Streuobstwiese Österreich gesucht oder über das eigene Projektprämierungsprogramm „Die Brennnessel“ Wanderschäfer in Tirol oder ein Beweidungsprojekt mit Wasserbüffel in Niederösterreich zur Umsetzung verholfen.
Aus der Vielzahl dieser wertvollen und engagierten FLORAs sowie Partnerinnen und Partner von Blühendes Österreich haben wir eine Handvoll ausgewählt und stellen sie per Interviews vor. Diese Persönlichkeiten zeichnen sich dadurch aus, dass Sie mit langfristigem Blick und klarem Fokus landwirtschaftliche und biodiversitätsorientiertes Produktion in Einklang gebracht haben und bringen wollen. Sie tragen dazu bei, einen unbezahlbaren Beitrag zum Schutz der Biodiversität in Österreich zu leisten und sind „Leitbetriebe“ und Modelle für gelebte, nachhaltige und biodiversitätsorientierte Landwirtschaft. Diese Stimmen und die geteilten Erfahrungen sollen den Weg zur Vision 2030 praxisorientiert ergänzen und lebhafter darstellen.

Daniela und Josef Braunreiter Micheldorf, Oberösterreich
Die Fam. Braunreiter führt im Vollerwerb einen Milch viehbetrieb mit 22 Kühen und elf Jungtieren mit Weidehaltung in Kombination mit Streuobstbewirtschaftung und Forstwirtschaft. Daniela und Josef haben 2014 den Betrieb übernommen und auf biologische Wirtschaftsweise umgestellt. Fam. Braunreiter bewirtschaftet ca. 25 ha Grünland, zwei ha Ackerflächen und etwa zehn Hektar Wald. Direkt vermarket werden Apfel und Birnensaft, Schnäpse, Rohmilch, Joghurt und Topfen. Der Betrieb liegt auf einer Seehöhe von 542 m und unsere Flächen liegen auf bis zu 750 m Seehöhe Auf ca zehn Hektar verteilen sich 300 Obstbäume in Streuobstkultur. Die Streuobstgärten wurden 2018 von der ARGE Streuobst Österreich und Blühendes Österreich als schönste Streuobstwiese Österreichs prämiert.
Was sind die naturschutzfachlichen Besonderheiten auf Ihrem Hof und Ihren Flächen?
Unser Hof liegt inmitten einer sehr großen Streuobstwiese mit über 200 Obstbäumen, in der sich eine Vielzahl an Baumarten jedes Alters befi nden. In den Baumkronen der weit über 100jährigen Birnenbäumen ist durch das vorhandene Totholz und Astlöchern Platz für eine Vielzahl an Lebewesen, wie dem Siebenschläfer zum Beispiel. Eine weitere Besonderheit ist auch, dass auf unserem Hof die Bewirtschaftungsform des “Abgestuften Grünland” schon seit Generationen praktiziert wird. Das bedeutet, dass Flächen in Gunstlage häufig und intensiv genutzt werden. Flächen in Steillage werden extensiver vom Schnittzeitpunkt und von der Düngung bewirtschaftet. Das ist für die Insektenwelt sehr wichtig, weil so viele Blühpflanzen und Gräser Zeit haben, auszublühen.
Werden Sie zu den Themen Biodiversität und ökologische landwirtschaftliche Praxis ausreichenden beraten?
Wer Beratung sucht, der bekommt sie auch. Man muss sich aber schon selbst darum bemühen Es gibt tolle Beratungsstellen in der Landwirtschaftskammer und in den Bioverbänden.

Wo brauchen Sie Unterstützung?
Die meiste Unterstützung würde ich mir von der Politik erwarten Bürokratieabbau oder praxistaugliche Förderungsmaßnahmen sind einige Dinge, bei denen dringender Handlungsbedarf besteht
Wie wirken sich die ökologischen und naturschutzfachlichen Besonderheiten auf die tägliche Arbeit aus?
Für uns wirken sich diese Besonderheiten nicht spürbar aus Unser Hof wurde schon seit Generationen nach den gleichen ökologischen Grund sätzen geführt, und darum sind wir es gewohnt, so zu arbeiten und zu leben.
Worin sehen Sie den Mehrwert durch Ihre Arbeit?
Jede/r LandwirtIn ist auch UnternehmerIn. Ich spüre auf jeden Fall den Mehrwert als Biobetrieb in der Geldbörse, da wir hochwertige Produkte zu guten Preisen verkaufen können. So können wir von unserem kleinen Hof gut leben, was als konventionelle/r LandwirtIn nicht möglich wäre.
Wo brauchen Sie vermehrt Unterstützung?
Weniger Bürokratie und praxistauglichere Fördermaßnahmen sind wünschenswert.
Worin liegen die größten Herausforderungen?
Herausfordernd war in letzter Zeit sicher das Wetter. Die extreme Dürre, starke Stürme und eine enorme Schneemenge haben uns im Sommer und im Winter stark beschäftigt. Durch die Dürre und die dadurch entstandene Futterknappheit waren die Grundfutterpreise so hoch wie noch nie. Im Gegenzug war der Holzpreis, wegen der enormen Schadholzmenge, so niedrig wie schon lange nicht.
Wie bewerten Sie die agrarpolitischen Rahmenbedingungen für Ihre Arbeit?
Meinem Empfinden nach werden diese kontinuierlich schlechter. Mit beinahe jedem Freihandelsabkommen ist die Industrie der "Gewinner" und die Landwirtschaft der "Verlierer". Wenn wir aus großen Agrarländern Lebensmittel zollfrei importieren, können wir in Österreich mit unserer kleinstrukturierten Landwirtschaft nicht mithalten. Dann werden unsere Bauernhöfe weiter zusperren, weil kein Einkommen zu erwirtschaften ist. Ein Rätsel ist auch für mich, warum es eine Diskussion über den CO2-Ausstoß von heimischen Rindern gibt, wenn importiertes Fleisch um die halbe Welt transportiert wird. Man bekommt oft das Gefühl, dass ein LKW, ein Flugzeug oder ein Containerschiff weniger Abgase produzieren als eine Kuh.
Wie erleben Sie Einstellung und Wahrnehmung Ihrer Kundinnen und Kunden zu Ihrer Arbeit?
Unsere KundInnen, die zu unseren Lebensmitteln greifen, kennen unseren Hof, sie sehen unsere Wiesen, wie sie bewirtschaftet werden. Sie begegnen unserem Vieh im Stall und auf der Weide und erfahren, dass es ihnen gut geht. Sie sind froh, dass sie mit ihren Kindern noch auf einem echten Bauernhof Tiere sehen, streicheln, füttern und ausmisten können. Diese Freude sieht und spürt man.

Martin Pfeiffer Wolfgruben, Steiermark
Martin Pfeiffer leitet seit 2016 den größten heimischen Obstproduzenten in Österreich: Die OPST, Obst Partner Steiermark. Die OPST hält mit seinen rund 600 Apfelproduzenten aus den Gebieten der Ost-, West- und Südsteiermark und 65 Prozent die Marktführerschaft im gesamt-österreichischen Apfelanbau und liefert jährlich rund 130.000 Tonnen Äpfel aus. Die beiden Erfolgsmarken der OPST sind „frisch-saftig-steirisch“ und „Von Herzen Biobauern“. Letztere hat Martin Pfeiffer im Jahr 2007 mitinitiiert. Seit 2008 ist er Geschäftsführer dieser Bioplattform. „Von Herzen Biobauern“ bündelt mittlerweile ca. 150 Biobäuerinnen und Bauern und produziert ca. 13.000 Tonnen Obst jährlich. Pfeiffer führt neben diesen Tätigkeiten einen eigenen Obstbaubetrieb in Wolfgruben bei Gleisdorf.
Was sind die naturschutzfachlichen Besonderheiten auf Ihrem Hof und auf Ihren Flächen?
Sämtliche Flächen sowie der Obstanbau werden biologisch bewirtschaftet. Auf den Einklang mit der Natur wird großen Wert gelegt.
Werden Sie zu den Themen Biodiversität und ökologische landwirtschaftliche Praxis ausreichend beraten?
Die Kommunikation mit der Naturschutzabteilung des Landes Steiermark bzw. der Arge Schrefler/ Komposch funktioniert sehr gut. Biodiversität braucht aber auch Zeit, und man muss den Flächen auch die Zeit geben, um sich zu entfalten. Zusätzliche Beratungsleistungen werden zum Teil zugekauft.
Wo brauchen Sie Unterstützung?
Die derzeitige Marktlage verlangt uns sehr viel ab. Wir versuchen, mit möglichst einfachen Dingen, unsere Produktion mit der Natur in Einklang zu bringen. Solange wir als LandwirtInnen wirtschaftlich überleben können, ist es sichergestellt, dass die Bodenversiegelung nicht noch schneller voranschreitet.
Wie wirken sich die ökologischen und naturschutzfachlichen Besonderheiten auf die tägliche Arbeit aus?
Nach einer Umstellungsphase gehen diese Herausforderungen in den täglichen Arbeitsablauf über. Allerdings ist ein wesentlicher Mehraufwand zu bewerkstelligen.

Worin sehen Sie den Mehrwert durch Ihre Arbeit?
Das Zusammenspiel Landwirtschaft – Natur – Boden – Nahrungsmittel ist seit jeher ein sehr enges. Als LandwirtIn ist man bedacht, diese Komponenten zu harmonisieren, um auch der Nachwelt eine entsprechende Basis weiterzugeben. In unserer täglichen Arbeit ist das ständige Lernen ein wesentlicher Faktor. Offen sein für Neues aber auch Altes ist wichtig und bringt uns ein Stück weiter.
Wo brauchen Sie vermehrt Unterstützung?
Es wäre schön, würde der Landwirt oder die Landwirtin in der Gesellschaft wieder den Stellenwert bekommen, der ihm oder ihr zusteht. Nahrungsmittel und unsere Natur sind kostbar. Wir erzeugen unsere Nahrungsmittel mit größter Sorgfalt und höchsten Lebensmittelsicherheitsstandards. Der Rückhalt der Gesellschaft wäre enorm wichtig. Sie sollte einerseits bewusst zu diesen kostbaren Produkten greifen und damit nicht nur „Lebens“Mittel konsumieren, sondern auch für den nachhaltigen Erhalt unserer Kulturlandschaft sorgen.
Worin liegen die größten Herausforderungen?
In schwierigen wirtschaftlichen Zeiten, im Zusammenspiel mit der Globalisierung ist die größte Herausforderung, den Glauben an den Erfolg unseres Weges nicht zu verlieren. Die sozialen Medien ebenso, da sich viele Menschen hinter der Anonymität als „Fachleute“ ausgeben und emotional Dinge anders darstellen, als sie wirklich sind. Landwirtschaftliche Lebensmittel aus Österreich sind eines der sichersten Produkte.
Wie bewerten Sie die agrarpolitischen Rahmenbedingungen für Ihre Arbeit?
Derzeit ist es eine Herausforderung, in der von Informationsplattformen überfluteten Gesellschaft, klare Wege zu gehen. Die Politik selbst sowie auch die Agrarpolitik ist gefordert, für professionelle Betriebe umsetzbare Rahmenbedingungen zu schaffen, die wettbewerbsfähig mit Importen sind. Es wird nötig sein, größer zu denken und Kooperationen zu schließen, um in diesem umkämpften Markt wirtschaftlich überleben zu können. Zeitgleich wird es immer wichtiger, die Landwirtschaft als erstes Opfer des Klimawandels zu unterstützen, um die Versorgung der Bevölkerung langfristig sicherzustellen. Kurzfristige Überproduktionen können sehr rasch Lebensmittelknappheit zur Folge haben.
Wie erleben Sie Einstellung und Wahrnehmung Ihrer Kundinnen und Kunden zu Ihrer Arbeit?
Grundsätzlich sehr positiv. Die Rückmeldungen, die wir erhalten, bestätigen unseren Weg, der aber noch nicht zu Ende ist. Zeitgleich müssen wir aber mit nicht vergleichbaren Billigprodukten am Markt konkurrieren. Die „Geiz ist Geil“- Mentalität wird aber langfristig nicht zu halten sein bzw. geht auf Kosten unserer Nachkommen. Es muss uns bewusst sein, dass nachhaltiges Arbeiten mit der Natur mehr Wert hat als billig kurzfristig erfolgreich zu sein.