Zu Beginn muss festgehalten werden, dass das Jagdgesetz in Österreich Ländersache ist, d.h. es gibt neun verschiedene Gesetze. Sie sind sich sehr ähnlich, aber dennoch weisen sie einige Unterschiede, z.B. zum Thema Fütterung, auf. Als Basis für die Beantwortung der folgenden Fragen haben wir im Beitrag auf das Tiroler Jagdgesetz zurückgegriffen.
1. Warum steht die Jagd im „Interesse der Landeskultur“?
Die Jagd hat eine lange Tradition, ist fest in der kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und sogar politischen Szene etabliert. In fast allen Landesteilen Österreichs haben wir einen, schon historisch bedingten, sehr hohen Wildbestand – vor allem von Rot- und Rehwild, sowie in den östlichen Bundesländern auch von Wildschweinen. Unter der hohen Wilddichte leidet der Wald, der durch Verbiss- und Schälschäden mancherorts so stark in Mitleidenschaft gezogen wird, dass er seine Schutzfunktionen nicht mehr erfüllen kann. Große Beutegreifer wie Wolf, Luchs oder Bär fehlen schon lange und ihre Rückkehr wird äußerst kontrovers diskutiert. Wir haben darüber bereits in einem spannenden Interview berichtet.
Im Jagdgesetz wird die Jagd daher als ein regulierendes Instrument gesehen, welches folgende Aufgaben erfüllen soll:
- Erhaltung der frei lebenden Tierarten und ihre Vielfalt
- Erhaltung ihres natürlichen Lebensraumes
- Erhaltung einer stabilen Alters- und Sozialstruktur sowie die Wildgesundheit
- Vermeidung von Waldschäden oder Beeinträchtigungen der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung von Grundflächen
2. Wer darf eigentlich jagen?
Primär ist die Jagdausübung mit dem Grundeigentum verbunden. Das war nicht immer so. In früheren Zeiten waren es vor allem der Adel und der Klerus, die jagdberechtigt waren. Später, um 1818, durften auch Bauern und Bürger eine Jagd pachten. Um 1859 hob das Jagdpatent die Jagd auf fremdem Grund und Boden auf und verband es untrennbar mit dem Grundeigentum. Die ersten Jagdgesetze folgten um die Jahrhundertwende.
Heute ist der Grundeigentümer, die Grundeigentümerin jagdausübungsberechtigt, wobei er oder sie natürlich nur auf einem festgestellten Jagdgebiet jagen darf. Abgesehen davon muss er oder sie im Besitz einer gültigen Jagdkarte sein, die mit dem Ablegen der Jagdprüfung und der Mitgliedschaft im Jagdverband erworben wird. Der Mitgliedsbeitrag beinhaltet zudem die notwendige Haftpflichtversicherung. Zusätzlich berechtigt eine gültige Jagdkarte zum Kauf und Führen einer Langwaffe (mehr als 60 cm Gesamtlänge, ein z.B. Revolver darf nicht mitgeführt werden).
Wer selbst nicht im Besitz eines Jagdgebietes ist, kann mit einer gültigen Jagdkarte ein Revier pachten.
3. Was sind die Aufgaben des Jägers?
Die Aufgaben des Jägers, der Jägerin sind tatsächlich vielfältiger als es auf den ersten Blick zu sein scheint. So geht es nicht nur darum, Tiere zu schießen, sondern auch um deren „Hege und Pflege“, wie es in den Gesetzen festgehalten ist. Die winterliche Fütterung von Rot-, Reh- und Muffelwild ist beispielsweise in Tirol explizit vorgegeben. Auch ist der Jäger verpflichtet, das Wild in seinem Revier zu beobachten und allfällige Krankheiten im Auge zu haben. Einige davon, wie z.B. die Tollwut oder Milzbrand, sind aufgrund der großen Ansteckungsgefahr anzeigepflichtig. Aber auch andere Krankheiten, wie die Gamsblindheit oder die Räude, die vor allem bei Gämsen zu großen Verlusten führen kann, müssen genau dokumentiert werden. So genannte „Hegeabschüsse“, um ein offensichtlich leidendes Tier zu erlösen, sind auch außerhalb der gesetzlich vorgegebenen Jagdzeiten erlaubt. Auch für den Wald trägt der Jäger, die Jägerin Verantwortung. „Wald vor Wild“ lautete die Devise, denn gerade auf steilen Hängen hat der Wald eine wichtige Schutzfunktion zu erfüllen, die nicht durch einen zu hohen Wildbestand gefährdet werden darf. Der Jäger, die Jägerin hat dafür Sorge zu tragen, dass es – vor allem in sensiblen Waldbereichen und Jungwald – nicht zu starken Verbissschäden kommt. Wildzählungen und der daraus resultierende Abschussplan sollen helfen, ein ausgewogenes und waldverträgliches Altersklassen- und Geschlechterverhältnis pro Tiergruppe zu erhalten.
Wer bereits fünf Jahre durchgehend im Besitz der Jagdkarte ist und zusätzlich einen Kurs absolviert, kann zum „Aufsichtsjäger/Aufsichtsjägerin“ und damit zu einem „Jagdschutzorgan“ aufsteigen.
Die Ausbildung zum „Berufsjäger, Berufsjägerin“ ist von den üblichen Kursen losgelöst zu sehen, denn dabei handelt es sich um eine dreijährige Ausbildung inkl. Lehrzeit und Prüfung – also um einen richtigen Lehrberuf. Anstellungen finden Berufsjäger in Jagdgebieten, die mehr als 3.000 ha aufweisen, denn hier ist deren Bestellung Pflicht. Auch der Berufsjäger ist ein „Jadgschutzorgan“, der nicht nur berechtigt ist, neben der Langfeuerwaffe auch eine Faustfeuerwaffe zu tragen, sondern er hat auch ein Anhalte-, Abnahme- und sogar Festnahmerecht. Zum Tragen kommt dies z.B. bei Verdacht auf Wilderei, aber auch bei sonstigen Verstößen gegen das Jagdgesetz, z.B. bei nicht „weidmännischen“ Methoden, oder der Vernachlässigung der Fütterungszeiten.
4. Welche Tiere dürfen bejagt werden - welche nicht?
Gemäß Jagdgesetz werden alle jagdbaren Tiere als „Wild“ bezeichnet. Im Weiteren unterscheidet man zwischen Haar- und Federwild. Zum Haarwild gehören das Schalenwild (Rotwild, Gamswild, Rehwild, Steinwild, Muffelwild, Schwarzwild = Wildschwein), Beutegreifer (Dachs, Fuchs, Steinmarder, Iltis, Waschbär, Marderhund, Wildkatze, Baummarder, Braunbär, Luchs und Wolf) und Nagetiere und Hasenartige (Feldhase, Alpenschneehase und Murmeltier). Zum Federwild zählen Hühnervögel (z.B. Auerwild, Alpenschneehuhn, Fasan…), Greifvögel (z.B. Steinadler, Mäusebussard, Habicht…), Eulen, Wildtauben, Rabenvögel und Wasservögel (Stockente, Bläßhuhn, Kormoran, Gänsesäger, Graureiher).
Aber wer zum „Wild“ zählt, darf nicht gleichzeitig auch geschossen werden. Für einige Arten gelten ganzjährige Schonzeiten. Dazu zählen alle Greifvögel, alle Wasservögel mit Ausnahme der Stockente und Sonderregelungen beim Graureiher, alle Eulenarten, alle Rabenvögel mit Sonderausnahmen bei der Rabenkrähe, Rebhuhn, Steinhuhn und Rackelhuhn und in allen anderen Bundesländern außer Tirol auch Auer- und Birkhuhn. Beim Haarwild sind es vor allem die großen Beutegreifer, die absoluten Schutz genießen: Wolf, Luchs, Bär, Wildkatze und auch der Baummarder.
Wildtiere wie das Wildschwein, Fuchs, Steinmarder, Iltis, Waschbär und Marderhund hingegen dürfen – zumindest in Tirol – ganzjährig bejagt werden. Für alle anderen gelten fixe Jagd- und Schonzeiten.
5. Wann darf geschossen werden?
Die sogenannten „Abschusszeiten“ sind gesetzlich vorgegeben und werden oftmals zusätzlich mit der Altersklasse der jeweiligen Tiergruppe verknüpft – wie etwa beim Rot- oder Rehwild. Dies setzt voraus, dass der Jäger, die Jägerin das Alter des Tieres schätzen kann, etwa am Geweih, am Gehörn, am Körperbau oder auch am Verhalten.
In Tirol darf beispielsweise ein einjähriger Hirsch oder eine einjährige Hirschkuh bereits ab dem 15. Mai geschossen werden, während ein 10-jähriger Hirsch nicht vor dem 1. August erlegt werden darf. Tatsächlich überlappen die meisten Schusszeiten von Rot- und Rehwild mit den Fütterungszeiten. Ein Schießen an der Fütterungsstelle ist allerdings mehr als kontraproduktiv für den Schutz des Waldes und auch in Jägerkreisen verpönt.
6. Was ist ein Abschussplan?
Der „Abschussplan“ gibt vor, wie viele Tiere pro Altersklasse geschossen werden müssen. Dabei wird dieser Plan jährlich neu erstellt. Wildzählungen und der Waldzustandsbericht (starke Verbissschäden, kein aufkommender Jungwald, etc.) sind dafür Voraussetzungen. Die Einhaltung des Abschussplans ist keine Empfehlung, sondern eine Verpflichtung und Nichteinhaltung wird gesetzlich geahndet. Um den Abschussplan zu überprüfen, gibt es die „Trophäenschauen“, bei denen die Trophäen (Geweih, Schädel mit Horn, bei weiblichen Tieren ohne Geweih auch das ganze Tier) vorgelegt und abgezählt werden.
7. Warum wird Wild im Winter gefüttert?
Einige Wildarten werden im Winter gefüttert. Die Art der Fütterung (Fütterungsstelle, Wildgehege, etc.) ist allerdings von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Gefüttert werden Reh-, Rot- und Muffelwild. Gams- und Steinwild werden nicht gefüttert. Sie sind perfekt an die alpinen Bedingungen angepasst und haben den Winter immer schon ohne den Menschen überstanden. Rehe und Hirsche allerdings würden normalerweise im Winter in die Auenlandschaften der Talregionen ziehen, die es aber aufgrund der Siedlungsdichte so gut wie nicht mehr gibt. Die Idee, speziell in Tirol, ist, die Tiere durch Fütterungsstellen in überschaubaren Waldregionen (Einstandsgebieten) zu halten und mit Futter zu versorgen. Dadurch sollen sie nicht in Versuchung kommen, Knospen und Rinde von Bäumen zu fressen.
Konflikte entstehen immer wieder, wenn FreizeitsportlerInnen (Skitourengeher, Schneeschuhwanderer) den Fütterungen zu nahekommen oder mitten durch das Einstandsgebiet fahren. Hier können behördlich verordnete „Wildruheflächen“ erlassen werden. Aber auch Lenkungsprojekte, Aufklärung sowie die Kennzeichnung von Einstands-und Fütterungsstellen vor Ort und im Kartenmaterial sollen zu einem besseren Miteinander beitragen. In einigen viel frequentierten Gebieten in Tirol zeigen diese Maßnahmen erste Erfolge.
8. Was ist ein Wildschaden?
Ein Wildschaden ist ein Schaden, der von einem jagdbaren Wild verursacht wird. Dazu gehören Verbissschäden an Bäumen, die durchaus waldschädigende und damit schutzmindernde Auswirkungen haben können. Aber auch Schäden an nicht eingebrachten Früchten (z.B. Hirsche bedienen sich gerne im Maisfeld) oder an Haus- und Nutztieren zählen als Wildschaden. Allerdings – und dies ist vor allem in der emotional geführten Diskussion um die rückkehrenden Beutegreifer wie Wolf und Bär wichtig – ist der Schaden, der von einem ganzjährig geschonten Wildtier verursacht wird, kein Wildschaden im Sinne des Gesetzes, für den der Jäger, die Jägerin haften müsste.
9. Warum haben viele Jäger einen Hund?
Neben der typischen olivgrünen Kleidung, dem Rucksack und dem Gewehr, gehört der Jagdhund für viele Jäger und Jägerinnen einfach dazu. Verpflichtend ist ein Jagdhund allerdings erst bei einer gewissen Reviergröße. Dabei muss der Hund ein geprüfter „Schweißhund“ sein („Schweiß“ bezeichnet in der Jägersprache Blut) oder zumindest ein „auf Schweißfährte geprüfter Gebrauchshund“. Tatsächlich dient der Hund dazu, ein angeschossenes, aber noch mobiles Tier, in möglichst kurzer Zeit aufzuspüren, damit es nicht unnötig lange leiden muss.
Neben der „Nachsuche“ werden Hunde aber auch zum Aufspüren von Wild und/oder Apportieren von erlegtem Wild eingesetzt. Einige von ihnen sind Spezialisten für Wasservögel, andere wiederum – wie die Bau- und Erdhunde – sollen Füchse oder Dachse in ihrem Bau aufstöbern.
10. Darf ein Jäger einen frei laufenden Hund erschießen?
Jagdschutzorgane wie der Berufsjäger oder der Aufsichtsjäger sind speziell für den „Schutz der Jagd“ da. Sie sollen das Wild vor „Raubwild, Raubzeug und Wilderern“ schützen und die Einhaltung der Jagdgesetze überwachen. Ein Hund darf allerdings nur dann geschossen werden, wenn er tatsächlich wildert, außerhalb der Einwirkung seines Besitzers, Besitzerin steht und offensichtlich eine Gefahr für das Wild darstellt. Einen solchen Sachverhalt im Nachhinein festzustellen, kann allerdings schwierig sein.
Übrigens, auch Katzen dürfen geschossen werden, und zwar dann, wenn sie mehr als 1.000 m vom nächsten bewohnten Haus angetroffen werden, oder auf frischer Tat wildernd erwischt werden.
Selbst aktiv werden!
Wir wissen, dass es noch viele weitere Fragen zur Jagd gibt, viele Punkte, die es verdienen, kritisch hinterfragt zu werden. Da wir aber nicht alles hier beantworten können, nimm am besten an der geführten Wanderung „Die Jagd zu Zeiten Maximilians I.“ im Naturpark Karwendel teil. Dabei wird es vor allem um die Jagd in früheren Zeiten gehen, als es hauptsächlich dem Adel vorbehalten war, sich mit Trophäen zu rühmen. Aber auch die Aufgaben der Jagd in der Gegenwart werden Thema sei. Mit etwas Glück wirst du sogar selbst Wildtiere beobachten können, oder zumindest deren Spuren finden.
- Termine: Jeweils Freitags noch bis zum 23. August 2019
- Treffpunkt: Absam in Tirol, Parkplatz Halltal
- Beginn: 9.00 Uhr
- Dauer: ca. 5 Stunden