Stark: Frittierte Flechten
Was früher mangels Alternativen zum Einsatz kam, etwa das stärkehaltige Isländische Moos zum Strecken von Getreidemehl, wird heute wieder ganz bewusst geschätzt. Haubenköche sind auf die Flechten (Lichen) gekommen. Trotz des irreführenden Namens ist Isländisches Moos nämlich auch eines dieser ganz speziellen Lebewesen: Flechten sind eine Symbiose aus einem oder mehreren Pilzen und entweder einer Grünalge oder einem Cyanobakterium. Erst in deren symbiotischer Lebensgemeinschaft bildet sich die für Flechten typische Wuchsform. Reich an Proteinen ist Isländisches Moos nicht nur ein altbewährtes Mittel gegen Lungenleiden, sondern auch ein toller Fleischersatz. Es schmeckt einzigartig: etwas erdig und nach Pilzen. Die meisten Rezepte sehen allerdings vor, sie vor dem Genuss zu kochen und dann sogar noch zu frittieren – das mag wohl an der etwas gewöhnungsbedürftigen Konsistenz der gekochten Flechte liegen.
Von wegen Unkraut: Würziges am Wegesrand
Die Brennnessel wird langsam wieder salonfähig. Dank ihrer blutreinigenden Wirkung schwimmt sie ja schon länger in unserem Tee, aber auch die Blätter – kurz blanchiert – machen sich herrlich als Spinatersatz. Im Salat schmecken die würzigen, jungen Blätter des Löwenzahns. Und wenn einmal kein Petersil zur Hand ist, dafür aber ein Garten, Park oder Wiesenstück, kann man einfach etwas von den frischen Trieben des Giersch pflücken. Die feinen Blätter schmecken pfeffrig und machen sich gut im Salat, als Suppe oder auch in der Limonade.
Bucheckern: Volle Kraft voraus
Im Herbst heißt es Ausschau halten: Wahre Kraftpakete bedecken alle 3-7 Jahre den Waldboden unter alten Rotbuchen und warten nur darauf, von uns eingesammelt zu werden – ansonsten tun es die Wildschweine. Reife Bucheckern lugen aus ihren borstigen Fruchtbechern und schmecken nussig, sind reich an Mineralstoffen, Zink und Eisen. Und sie liefern nicht nur Wildschweinen Energie: Die kleinen Samen haben einen Fettgehalt von rund 40%. Roh sollte man sie allerdings nur in Maßen genießen (Kinder lieber gar nicht), denn sie beinhalten einen schwach giftigen Stoff, der Bauchschmerzen verursacht. Besser, man röstet sie eine Weile über dem Feuer, um die Giftstoffe abzubauen.
Oh Tannenbaum
Zeit für neue Geschmäcker: Nicht nur die Blätter von Kräutern sind essbar. Auch so manches Baum-Blatt ist köstlich – allerdings nur im Frühjahr, wenn die Bäume gerade frisch austreiben. Ideal für Einsteiger in Sachen Blatt-Verkostung sind Linden, die gerade in voller Blüte stehen. Junge Lindenblätter sind süßlich und mild und schmecken auch noch im Sommer. Die Blüten haben sich als Tee, etwa bei Katarrhen der Atemwege, bewährt.
Schon lange Stammgast in unseren Breiten ist die Hasel. Auch ihre Blätter schmecken gut und an den Spitzen wachsen recht lange frische Triebe nach. Im Wildkräutersalat machen sich gemeinsam mit Löwenzahn, Ehrenpreis und Gänseblümchenblättern auch junge Birkenblätter gut.
Und wenn Blätter essbar sind, sind es natürlich auch Nadeln! Wer einmal auf den frischen, hellgrün leuchtenden Trieben von Fichte oder Tanne herumgekaut hat, wird das nicht so schnell wieder vergessen: Sie schmecken herrlich würzig und aromatisch. Fichte aus der Flasche? Die jungen Triebe eigenen sich dazu, einen Sirup aus ihnen zu kochen: Dazu werden sie grob geschnitten und mit Wasser aufgekocht. Nachdem sie etwa zwei Stunden darin gezogen sind, Zucker dazu, nochmals köcheln lassen, abseihen und den Sirup in Rex-Gläser abfüllen und kühl lagern. Das süße Getränk schmeckt nicht nur gut, die jungen Fichtentriebe haben außerdem einen hohen Vitamin-C Gehalt.
Vorsicht geboten: Enjoy responsibly!
Das Experimentieren mit neuen Geschmäckern und Lebensmitteln direkt aus der Natur ist wunderbar, aber auch mit Vorsicht zu genießen. Wenn du dir nicht sicher bist, ob das, was du vom Baum gepflückt oder vom Boden aufgelesen hast, wirklich genießbar oder doch gar giftig ist – frag lieber bei einer fachkundigen Person (zum Beispiel beim Marktamt) nach!
Bei der Menge gilt jedenfalls: Mäßigung. Einerseits, um der Natur die Möglichkeit zu geben, mit der „Produktion“ nachzukommen, andererseits weil Wildpflanzen oft recht intensiv schmecken. Bitte beachte auch, dass Wildpflanzen geschützt sind und nicht gesammelt werden dürfen, bzw. bestehen in bestimmten Schutzgebieten entsprechende Auflagen - informiere dich also, bevor du losziehst um die Natur voll auszukosten!
Auf den Geschmack gekommen?
Wenn du noch genauer wissen möchtest, was uns Wald und Wiese so alles zu bieten haben und wie man auch ohne Supermarkt gut über die Runden kommt, besuch’ doch ein Wildnis-Camp, zum Beispiel im Nationalpark Kalkalpen. Hier lernst du, Feuer zu machen, Tierspuren zu lesen, und welche Pflanzen essbar sind.