Ronald Würflinger ist seit Oktober 2015 Geschäftsführer der Stiftung Blühendes Österreich. Wie Landwirte Biodiversität erhalten, warum Nachhaltigkeit im Kühlschrank beginnt und wo er beim Naturschutz selbst anpackt, verrät er Maria Schoiswohl.
Die Stiftung Blühendes Österreich ist eine Nachhaltigkeitsinitiative der REWE International AG. Worum geht es bei der Stiftung konkret?
Es gibt in Österreich aufgrund der intensiven Landwirtschaft einen extremen Verlust wertvoller Lebensräume. Das bedeutet einen starken Rückgang von Hecken, Einzelbäumen oder auch wertvollen Blühstreifen, welche einen wichtigen Lebensraum für viele Tierarten bieten. Der Urgedanke der Stiftung ist, genau hier anzusetzen und diese Inseln zu erhalten, Bauern aktiv bei der Erhaltung dieser Naturschutzflächen zu unterstützen und zugleich zu sensibilisieren. Es geht um Naturschutz und -erhaltung über einen langen Zeitraum.
Wie funktioniert das in der Praxis?
Vegetationsökologen eines Grazer Kartierungsbüros haben ein System entwickelt, das rein auf naturschutzfachlichen und ökologischen Fundamenten beruht. Die schauen sich die Flächen an, bewerten und kartieren, und je nach Wert der Fläche unterstützen wir den Bauern finanziell. Der durchschnittliche Betrieb ist zwischen zwei und drei Hektar. Wir haben aber auch einige Betriebe mit mehreren Hektar, die bekommen mehr Unterstützung – je nach Wertigkeit und Größe der Fläche bis zu 1.000 Euro pro Hektar Wir haben damit ein Best-Practice-Beispiel für ökologische Bewirtschaftung auf Höfen geschaffen.
Wie viele Betriebe werden aktuell unterstützt?
Derzeit rund 130. Der Schwerpunkt liegt in der Steiermark. Im Burgenland und in Niederösterreich haben wir auch ein paar Betriebe. Aktuell sind wir sehr ostlastig, wollen aber natürlich auch in den Westen gehen.
Mit dem Kauf von „Da komm ich her“- oder „bi good“-Produkten unterstützte ich als Konsumentin die Stiftung mit einem Cent. Was passiert mit meinem Geld?
Es geht zum einen in die Unterstützung der ökologisch arbeitenden Betriebe. Die Kunden und REWE International AG reinvestieren in die Erhaltung wertvoller Naturschutzflächen. Als zweite Maßnahme initiieren wir Projekte mit Partnern zum Thema Naturschutz, Artenvielfalt und -erhaltung. Im Rahmen der Stiftungsarbeit möchte ich künftig vermehrt auch in die Natur- und Umweltbildung gehen, mit Schulnetzwerken kooperieren und Naturbildungsprojekte auf Schulebene umsetzen.
Könnte die Stiftung Blühendes Österreich nicht einfach 1.000 Hektar erwerben und sagen: „Wir schützen das!“?
Die Frage ist eher, wenn man die Fläche erwirbt: Wer pflegt sie? Wir reden von landwirtschaftlichen Nutzflächen, die intensiver bewirtschaftet werden, aber Sinn und Zweck ist die Erhaltung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der genutztenLandschaft. Diese Kulturlandschaftsflächen aufzukaufen und aus reinem Erhaltungszweck ohne landwirtschaftlichen Nutzen zu pflegen, ist sehr schwierig. Es macht mehr Sinn, der Landwirt – und damit der Experte – pflegt sie, wie er sie immer pflegt, in einem ökologischen Sinn und Interesse. Denken Sie etwa an die Wachau: Dort gibt es wunderschöne, artenreiche Wiesen, aber keinen Viehbetrieb – diese Flächen verbuschen. Auf einer Wiese leben aber zweihundert Schmetterlingsarten, deshalb versucht man einige Hektar freizuhalten, indem man zweimal im Jahr mäht. Da braucht es Personal, Ausrüstung, Logistik. Das ist nicht die Aufgabe der Stiftung – dies wäre organisatorisch und logistisch nicht bewältigbar.
Es geht aber nicht nur um landwirtschaftlich genutzte Flächen.
Es ist ein systemischer Ansatz. Wir wollen uns mit der intensiven Landwirtschaft näher auseinandersetzen, weil das auch Produzenten der REWE Group sind – die Verbindung zum Stifter ist gegeben. Es gibt aber auch wertvolle Schutzgüter, die nicht direkt mit REWE Group-Produzenten zusammenhängen, sondern eine generelle Wertigkeit haben. Wir sehen uns das als Stiftung individuell an und entscheiden dann über eine etwaige Unterstützung.
Warum ist diese Stiftung für Österreich so wichtig?
Der Verlust an Biodiversität und Artenvielfalt in Österreich ist eklatant. In Österreich gibt es auch viele positive Projekte, vor allem in den Flussrenaturierungen, aber außerhalb der Flusslandschaften, im Kulturlandschaftsbereich oder in der Waldwirtschaft – da stehen wir am Pranger. Die kleinstrukturierte Landwirtschaft geht auch bei uns zurück. Das heißt nicht, dass größere Höfe per se schlecht sind. Aber es geht um Pestizideinsatz, um die Diskussionskultur, um das Verständnis für ökologischere und nachhaltige Bewirtschaftungsweisen– wir haben ein Problem, wie gehen wir damit um? Die Stiftung kann hier lösungsorientierte Ansätze und Best Practice-Modelle liefern – zusammen mit ihren Partnern.
Blühendes Österreich ist ein Projekt für ganz Österreich.
Ist das nicht Aufgabe der Politik?
Naturschutz in Österreich ist föderalisiert. In neun Bundesländern beschäftigen sich neun verschiedenen Organisationseinheiten mit dem Thema, das erschwert effektive Naturschutzarbeit erheblich. Blühendes Österreich – nomen est omen – interessiert das ganze Land. Es ist eine Initiative, die natürlich auch gemeinsam mit politischen Entscheidungsträgern arbeiten will!
Was bedeutet für Sie Nachhaltigkeit?
Nachhaltigkeit hat für mich mit Konsum zu tun. Als junger Mensch ist dir das egal, aber wenn du zu denken beginnst, wo du etwas beitragen kannst, dann geht es um bewussten Konsum. Was kaufe ich mir, was leiste ich mir? Da fängt der Naturschutz schon im eigenen Kühlschrank an. Die zweite Komponente ist für mich: Wenn es mich wirklich interessiert, leiste ich einen Beitrag und für mich war das immer die Freiwilligenarbeit. Ich habe zigtausende Stunden verbracht, mit Almbauern auf der Alm zu arbeiten oder beim Bergbauer die Wiesen zu mähen. Da lernt man die Leute, Sichtweisen und die Herausforderungen kennen und weiß, wovon man spricht.
Zur Person
Ronald Würflinger hat in Wien Geschichte mit Schwerpunkt Umweltgeschichte studiert. Seit 15 Jahren engagiert er sich intensiv in der Non-Profit-Szene für den Naturschutz und nachhaltigen Tourismus. Zuletzt war er Geschäftsführer des Naturparks Jauerling in der Wachau und acht Jahre in der Regionalentwicklung und im Tourismusmanagement tätig. "Blühendes Österreich ist für Österreich", sagt er.