Ist das noch ein Kofferraum oder schon eine Mary Poppins-artige Reisetasche? Das Auto von Gernot Kunz will sich einfach nicht leeren. Holzblöcke, Bambusrohre, Bohrer und Nägel finden ihren Weg aus dem Auto ins Naturlesemuseum in Neumarkt in der Steiermark. Hier haben sich heute, am gefühlt ersten regnerischen Tag nach einem langen heißen Sommer, knapp zehn Leute versammelt. Eine Initiative der Naturschutzakademie Steiermark, um zu lernen, wie man eine Nisthilfe richtig baut.
Die Nisthilfe ist nicht für irgendwen: 700 Wildbienenarten gibt es allein in Österreich, ihre Populationen schrumpfen jedoch. Sie zu bestimmen ist schwierig. Es fehlen Experten und Daten, so Kunz:
„Wir wissen nicht einmal genau, welche Arten genau zurückgegangen sind.“
Schätzungsweise 50 Prozent der Wildbienen sind gefährdet. Kunz hat es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, das Wissen über die sympathischen Insekten und ihrem Schutz bei Workshops wie dem heutigen in die Öffentlichkeit zu bringen.
Die Wildbienen gehören zur Gruppe der Stechimmen und was sie auszeichnet ist – unschwer zu erraten – ihr Stachel. Ihre berühmteste Vertreterin, die Honigbiene, ist naturschutztechnisch eigentlich gar nicht so gut, erklärt Kunz. Sie konkurriere mit anderen Arten um Nektarquellen. Sie ist auch die einzige, die eusozial, also in einem großen Schwarm lebt. Die anderen Bienen leben meist solitär, manche in Gemeinschaftsnestern und einige von ihnen als Parasiten auf anderen Bienen. „Gerade diese Gruppe ist aber besonders selten und deshalb schützenswert.“
Wildbienen sind auch wichtige Bestäuber. Im Gegensatz zur Honigbiene fliegen viele von ihnen auch bei deutlich kälterem und schlechterem Wetter. All das ist gut zu wissen, wenn man eine Nisthilfe für sie bauen will.
Hier sind die fünf wichtigsten Fakten:
1Abstand
Der Nistplatz ist nur dann ein guter Nistplatz, wenn er in der richtigen Distanz zu genug Baumaterial aber auch zum richtigen Nahrungsraum hat. Die Bienen müssen ihren Larven schließlich genug füttern und sich selbst dabei nicht vernachlässigen. Viele der Arten sind so spezialisiert, dass sie nur wenige Pflanzenarten annehmen.
2Verschluss
Das Baumaterial brauchen die Bienen für ihre Nistzellen. Lehm, Pflanzenteile oder Harz dienen zum Verschließen.
3Material
Eine Nisthilfe muss divers sein. Zwar suchen sich viele die bekannten Röhrchen aus, 75 Prozent der Wildbienen nisten aber am offenen Boden. Hier hilft ein Bereich mit sandigem Material wie Löss, so Kunz: „Man kann hier mit dem Fingernagel dran kratzen. Löst sich etwas Material, ist es geeignet.“
4Das richtige Holz
Auch Totholz eignet sich bestens. Baumstrünke sollte man deshalb nie unter einer Höhe von einem Meter abschneiden. Denn bald nisten sich dort Käfer ein, ihre Ausschlupflöcher nützen später auch Wildbienen. „Aus Sicherheitsgründen werden solche Baumstümpfe entfernt, obwohl man sie gerade im Wald einfach stehen lassen könnte.“
5In der Stadt
Im Stadtgebiet nisten Bienen auch in alten Fassaden, Felsen oder Mauern und suchen sich prinzipiell alles mit vielen Schlupflöchern und Bereichen mit losem Material. Auch markhaltige Stängel von Brombeeren oder Hollunder eignen sich.
Nach dem theoretischen Teil gehen wir trotz Regen raus, um die Umgebung nach passenden Nistorten zu durchsuchen. Ein paar Holzstümpfe haben vielversprechende Löcher, einige Mauern kleine Nischen. Und auch eine Wildbiene, die wir nicht genau bestimmen können, schlaft in einer Distel.
Der Spaziergang war als Inspiration gedacht, denn es ist nun Zeit, unsere eigene Insektennisthilfe zu bauen. Der Biologe Kunz richtet sich dabei auch nach dem Wildbienen-Guru Paul Westrich, der auf Basis seiner vieljährigen Erfahrungen die „perfekte Nisthilfe“ entworfen hat.
So kommst auch du in 5 Schritten zum Insektenhotel:
1Der richtige Rahmen
Die Insekten mögen ein „Dach über dem Kopf haben“. Bei Regen können sie nicht fliegen, geschweige denn ungestört nisten. Unser Rahmen (eine Aufbewahrungsbox von Ikea) hat zwei längliche Fächer.
2Material für Bodennister
Das untere Fach wollen wir nützen, um es für bodenbrütenden Bienen attraktiv zu machen. Gernot Kunz hat uns dafür extra Lössboden gebracht, der besonders geeignet ist. Wir schaufeln ihn in das Fach und drücken in fest. Optional könnte man auch einen Behälter mit Material horizontal aufstellen.
3Viele Röhrchen
Den oberen Teil wollen wir mit verschiedenen Röhrchen füllen. Wir benützen dafür Bambus. Bei einem Durchmesser über einem Zentimeter wird das Röhrchen höchstens als Rastplatz genützt, zum Nisten muss es schmäler sein. Wichtig: Hinter dem Knoten abschneiden, dann hat das Rohr einen natürlichen Verschluss.
Außerdem kann man große Schrauben verwenden, um in das Rohr hineinzufahren und das sogenannte Bambushäutchen rauszuholen. Das kann sonst zum Hindernis für die Bienen werden. Wer keinen Bambus zur Verfügung hat, kann auch eine Schilfmatte aus dem Bauhaus nehmen. Einziger Nachteil: Sie bietet nur eine Größe und spricht somit nicht jede Bienenart an.
4Arbeit mit Holz
Auch altes Holz ist super geeignet: In Hartholzblöcke (keinesfalls Weichholz wie Fichte, das kann splittern und die Flügel verletzen) bohrt man mit einer Bohrmaschine Löcher. Je tiefer, desto mehr Nistkammern und mehr Larven haben Platz. Wer den Holzblock zuvor zuschneidet, sollte das 90 Grad zu den Jahresringen – also seitlich – tun, weil die Blöcke sonst schnell rissig werden. Morsche Holzblöcke sind außerdem gute Nistplätze für die Familie der Holzbienen. Die bohren sich ihre Löcher jedoch selbst.
5Fleißarbeit
Ziegelsteine hat Kunz keine angeschleppt. Sie eignen sich aber auch, um Löcher reinzubohren. Aber selbst hier sollte man noch extra Röhrchen wie Bambus reingeben, damit es hinten einen Verschluss gibt.
Geeigneter Ort, geeignete Zeit
Die eigene Nisthilfe unterscheidet sich maßgeblich von jenen, die im Baumarkt erhältlich sind. Dort findet an auch häufig die typischen Fehler: Ungeeignet sind etwa Tannenzapfen, Stroh oder einzelne, kleine Holzstücke. Oft sehe man auch ein Gitter vor den Röhren, um Vögel abzuwenden. Kunz empfiehlt jedoch, es im ersten Jahr noch ohne zu probieren und im Fall von gefiederten, hungrigen Besuchern dann nachzubessern.
Zuletzt gibt es noch die Frage zu klären, wann und wo wir die Nisthilfe aufstellen können? Wildbienen mögen die pralle Sonne, auf jeden Fall aber trockene und überdachte Orte. Die ersten Arten, wie etwa die Mauerbiene, beginnen schon Ende März zu brüten. Bereits Wochen davor gehen sie auf die Suche nach dem passenden Lager. Es ist deshalb kein Fehler, die Nisthilfe bereits gegen Ende des Winters aufzustellen.
Am Ende des Tages hat jeder von uns eine fertige Nisthilfe, die er und sie nun stolz nach Hause transportieren darf. Und falls uns der Tag noch immer nicht von der Aufnahme der Wildbienen in den eigenen Garten überzeugt hat, gibt Kunz noch einen Fakt für den Nachhauseweg mit: „Honigbienen sind die aggressivsten Bienen. Wildbienen stechen eigentlich nie.“
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