Weshalb der Echte Speik eine bewegte Geschichte hat. Warum ihn seine Inhaltsstoffe zum Multitalent machen. Und warum die unscheinbare Pflanze ein gutes Beispiel für den Naturschutz auf Wiesen und Weiden im Biosphärenpark Nockberge ist.

Ganz ehrlich: Ein Chippendale der Pflanzenwelt ist er nicht gerade, der Speik. Bei einer Schönheitskonkurrenz würde er schon in der Vorrunde scheitern. Und zwar grandios. Mit 5 bis 15 cm Höhe ist er auch beileibe kein Riese. Und seine cremeweißen Blüten? Nun ja. Das hat man alles schon viel eindrucksvoller gesehen.

Aber das Mauerblümchen ist hart im Nehmen. Muss es auch. Denn der Echte Speik kommt nur in den Alpen vor, oberhalb von etwa 1.800 Metern Seehöhe. Dort trotzt er Kälte (oft), Hitze (ab und zu) und Stürmen (immer wieder mal). Neben einem Vorkommen in den Westalpen findet man ihn sonst nur in Österreichs Bergen – und hier vor allem im Dreiländereck Kärnten-Steiermark-Salzburg. Besonders wohl fühlt sich der Speik auf den sanften Bergkuppen des Biosphärenparks Nockberge.

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Echter Speik (Valeriana celtica) im Biosphärenpark Nockberge

Auf die inneren Werte kommt’s an

Wer keine Schönheit ist, muss mit inneren Werten punkten. Das gelingt dem Speik tadellos. Was seine Inhaltsstoffe betrifft, ist er nämlich ein echter Tausendsassa: Er taugt als Parfüm, Kosmetikpflanze und als Naturheilmittel.

 

„Most Wanted“-Pflanze für Kleopatras Beauty-Programm

Schon die alten Griechen und Römer waren ganz scharf auf den Speik. Präziser: auf dessen Wurzeln. Sie enthalten, wie bei vielen anderen Baldriangewächsen auch, ätherische Öle. Und die duften intensiv herb-würzig. Manche sagen: aufdringlich. Seine Öle machten den Speik über Jahrtausende zu einer der „Most Wanted“-Pflanzen.

In punkto Seltenheit und Kostbarkeit konnte er sich beinahe mit Zimt und Safran messen. Daher wurde der unscheinbare Speik fleißig exportiert: Von den Nockbergen über Triest bis in den Orient und nach Ägypten. Dass Kleopatra die royale Haut in Eselsmilch badete, ist weithin bekannt. Dass ihr Beauty-Programm auch Speiköl-Massagen umfasste, weniger.

Multitalent der Hausmedizin

Der Speik vertrieb auch Motten aus Kleiderschränken. Oder böse Geister: In Raunächten räucherte man Haus und Stall mit Speik, Wacholder und Palmbüschen aus. In der Hausmedizin wurde der Speik ebenso eingesetzt: Er soll zugleich entspannend und belebend wirken, krampflösend sein, magenstärkend und harntreibend. Auch gegen Fieber und Zahnschmerzen fand er Anwendung.

 

Erfolgsrezept: Ermöglichen statt verhindern

Eigentlich erstaunlich, dass diese Pflanze vor lauter Begehrtheit nicht irgendwann ausgerottet wurde. Das liegt auch daran, dass der Speik seit fast 100 Jahren unter strengem Naturschutz steht. Im Biosphärenpark Nockberge heißt das aber keineswegs: jegliche Naturnutzung verboten! Im Gegenteil: Es geht dort ums Ermöglichen, nicht ums Verhindern. Naturschutz soll Hand in Hand gehen mit sanftem Wirtschaften des Menschen in der Kulturlandschaft.

Grauvieh, eine Zweinutzungsrasse aus Tirol

Naturschutz mit Sense und Kuhmaul

Nehmen wir die Almwiesen und Weiden, auf denen sich der Speik versteckt: Sie brauchen zwei- und vierbeinige Landschaftspfleger. Genauer: den Menschen und das Weidetier. Ohne Sense und Kuhmaul würden Wiesen und Weiden der Nockberge unweigerlich mit Bäumen zuwachsen. Und damit zahllose Arten verschwinden, die sich optimal an diese offenen Lebensräume angepasst haben: Gräser, Kräuter, Wildblumen, Käfer, Schmetterlinge, Vögel.

Auch beim Speik konnten Forscher der Universität für Bodenkultur nachweisen: Maßvolle Nutzung schadet ihm nicht, sondern fördert sogar die Bestände. Deshalb wird der Speik im Biosphärenpark weiterhin geerntet. Aber mit Maß und Ziel. Und mühsam von Hand.

Speikernte im Biosphärenpark Nockberge

Ernte: Mit Speikkramperl und Fingerspitzengefühl

Das Recht zum Speikgraben im Biosphärenpark Nockberge besitzen nur mehr zwei Bauernfamilien. Zwischen Mitte August und Mitte September gehen sie dieser alten Tradition nach. Entscheidend dabei: das „Speikkramperl“. Das ist kein Krampusnachwuchs, sondern ein kleiner Krampen. Also ein Grabwerkzeug, mit dem der Speik samt Wurzeln geerntet wird. Zwischen den Ernten halten die Speikgraber immer wieder „Schonzeiten“ ein, damit sich die Bestände erholen können.

Höchstens 25 Kilo pro Saison dürfen entnommen werden. Viel ist das nicht. Aber für Seifen oder Öle braucht es auch nur sehr wenig Pflanzenmaterial. Nach der Ernte kommt der Speik in spezielle Hütten („Speik-Schober“) zum Trocknen. Danach kann das kostbare Wurzelöl gewonnen und zu Körperpflege- und Kosmetikprodukten verarbeitet werden.

Biosphärenpark-Ranger Stefan Schmölzer

Speiksitzen: Arrest mit herber Note

Die Speik-Schober in den Nockbergen hatten aber noch einen anderen Zweck, weiß Biosphärenpark-Ranger Stefan Schmölzer: „Früher gab‘s bei uns den Brauch des ‚Speiksitzens‘.

Bei kleineren Delikten hat man die Missetäter drei Tage in eine Kammer mit Speik eingesperrt, bei Wasser und Brot.

Danach hat der Betreffende richtiggehend nach Speik gestunken. Und zwar längere Zeit. Da hat jeder gewusst: Der hat was angestellt.“ Und somit hat das Multitalent Speik sogar noch Originelles zum Justizsystem beigetragen: den Riech-Pranger.

 

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