Gedanken aus, Sinne an: Warum nicht einmal das Yogastudio in den Wald verlegen? In der freien Natur gibt es mehr Raum, Ruhe – und definitiv bessere Luft als im Studio. Bei einer Schnupperstunde mit der Energietankstelle Wald-Ruhe lernen wir, mit Elementen aus Yoga, Meditation, Natur- und Wildnispädagogik zur Ruhe zu kommen - und wie man dank Fuchstritt und Eulenblick Schritt für Schritt gelassener wird.

Es ist 17:10 und ich bin spät dran. Den vereinbarten Treffpunkt, einen Sportplatz am Rande eines kleinen Wäldchens, finde ich erst nach ein paar Ehrenrunden durch das beschauliche Kaisersdorf. Meine Hektik und Entschuldigungen laufen bei meiner Ankunft allerdings ins Leere. „Dein Stress beeindruckt uns nicht“, wird Sandra Geldner später lächelnd sagen. Und das meint sie durch und durch freundlich. Gemeinsam mit dem Waldpädagogen Bernd Rassinger, der seit sieben Jahren die Naturschule Rabe leitet, bietet sie Yoga und Meditationsstunden im Wald an. Energietankstelle Wald-Ruhe nennen die beiden es, und ich möchte heute erfahren, wie das genau funktioniert.

In der Natur kommen die Leute viel schneller in die Ruhe

„In der Natur kommen die Leute viel schneller in die Ruhe“, sagt Sandra als wir gemächlich losspazieren, olivgrüne Isomatten in der einen, Gelsenspray in der anderen Hand.

Gesundheitsvorsorge im Wald

Diverse Forschungen belegen immer wieder die positiven Auswirkungen, die regelmäßige Waldspaziergänge auf unsere Gesundheit haben:

  • die Waldluft beeinflusst unser Herz-Kreislauf-System: der Blutdruck sinkt, der Puls wird ruhiger
  • positive Auswirkung auf die Lungenkapazität und Elastizität der Arterien, gemindertes Risiko für Arterienverkalkung 
  • weniger Adrenalinausschüttung und damit ein geringerer Stresspegel als etwa bei einem Spaziergang durch die Stadt
  • Sauerstoff, Ruhe und ätherische Duftstoffe tun dem Körper gut

Wissenschaftler der Nippon Medical School in Tokio, wo das Waldbaden "Shinrin Yoku" eine lange Tradition hat, fanden heraus, dass Waldluft möglicherweise sogar vorbeugend gegen Krebs wirken kann. Bisher sind es nur Vermutungen, aber möglicherweise liegt dieser Effekt auch an den Phytonzyden. Das sind Substanzen, die Pflanzen produzieren, um sich vor Schädlingen und Krankheitserregern zu schützen. Bei einem Waldspaziergang atmen wir diese Phytozyden ein und sie helfen dabei, unser Immunsystem zu stärken.

Ein Forstweg führt nun zwischen hohen Fichtenstämmen hinein in das kleine Wäldchen. Es wird ruhiger, kühler, und ich merke tatsächlich, wie Schritt für Schritt etwas von der Anspannung des Tages von mir abfällt. Irgendwann deutet Bernd nach links und wir stapfen querfeldein. Es raschelt und knackt, ich gehe bewusster, weil ich mir den Weg selbst bahnen muss. „Die Natur hilft uns dabei, unsere Sinne zu schärfen“, sagt er, als wir es uns kurz später zwischen Föhren, Eichen, Kiefern und einem kleinen Nussbäumchen bequem gemacht haben. Zum Schutz gegen die Gelsen duften wir nach ätherischem Citronella-Öl.

Sinn-volle Zeit

„In der Stadt mit ihrer Hektik und ihrem Lärm“, meint Bernd, „neigen wir dazu, unsere Sinneswahrnehmungen herunterzufahren. Hier bei der Energietankstelle Wald-Ruhe geht es darum, unsere Sinne wieder zu öffnen– so kommen wir einfacher vom Tun ins Sein.“ Dabei geht es nicht nur ums Sehen und Hören, auch um das, was wir über die Haut wahrnehmen. Und natürlich auch ums Riechen. Ich spähe hinauf ins Blätterdach dieses Wald-Yogastudios, schnuppere, und plötzlich bemerke ich einen feinen aber beständigen Duft nach Harz, der mir davor nicht aufgefallen ist. Und eine besondere Art der Stille, die nur von munterem Vogelgezwitscher, dem Klopfen eines Spechts oder Blätterrauschen unterbrochen wird.

Image
Wald

Zum Ankommen und Runterkommen

Eine Einheit der Energietankstelle beginnt zum Beispiel mit einer einfachen Atemübung. Oder aber, Sandra und Bernd spazieren mit den Teilnehmern einfach einmal barfuß durch den Wald. „Das ist eine tolle Balanceübung, die Fußsohlen werden massiert und wir erden uns im wahrsten Sinne des Wortes. Außerdem sind wir mit unserer ganzen Aufmerksamkeit beim Gehen“, erklärt Sandra. Das möchte ich natürlich gleich am eigenen Leib erfahren.

Bedächtig setzen wir einen Fuß vor den anderen. „Und jetzt machen wir den Fuchstritt“, sagt Bernd. Dabei setzt man zuerst den Ballen auf und rollt seitlich über den äußeren Rist auf die Fersen ab. Später kommt noch der Eulenblick dazu. Dabei versuchen wir, unser Sichtfeld möglichst weit zu halten und uns auf nichts Bestimmtes zu fokussieren. „Der Eulenblick hilft, wenn man die Fährte eines Tiers aufgenommen hat. Tiere spüren es, wenn wir sie mit unserem Blick fixieren und suchen das Weite“, erklärt Bernd, der auch eine Jagdausbildung hat.

Proberaum Wald

Das Abschalten fällt oft gar nicht so leicht. „Manchmal sagen die Leute: Zwei Stunden Nichtstun? Puh ist das lang“, erzählt Sandra. Aber dann vergeht die Zeit doch wie im Flug und von Einheit zu Einheit fällt das Loslassen leichter. „Uns ist es auch wichtig, dass die Menschen das, was sie hier lernen, jeden Tag anwenden können.

Hier im Wald können die Menschen die Energie der Natur tanken und mit nach Hause nehmen.

In der Gruppe und mit Anleitung funktioniert das oft viel leichter. „Alleine kommt man aus dem Stress nur schwer heraus“, erzählt Sandra von ihren Erfahrungen. „Wir nehmen die Menschen an der Hand und gehen ein Stück weit mit ihnen.“ Bewertet wird nichts, und was im Kreise der Energietankstelle erzählt wird, bleibt auch hier. Manchmal bekommen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine kleine Hausübung. Zum Beispiel sollen sie täglich aufschreiben, wofür sie dankbar sind und was sie glücklich macht.

Yoga im Wald

Yoga mit Mücke

Jetzt ist es nochmal Zeit für ein paar praktische Übungen. Ich persönlich habe ein ambivalentes Verhältnis zu Yoga. Immer wieder versuche ich es in unterschiedlichen Studios, komme dabei aber nie wirklich zur Ruhe. Ich habe das Gefühl, dass es hier draußen in der Natur besser klappen könnte. Es gibt keine Spiegel, in denen man sich kritisch bewerten kann und der Geruch und die Geräusche des Waldes sorgen für einen Entspannungs-Vorsprung. Während ich auf allen Vieren knie und andächtig einen Katzenbuckel mache, sitzt da zwar eine Gelse auf meinem Bein, aber ich begnüge mich damit, sie einfach nur zu beobachten und nicht zu verscheuchen. Als sie unverrichteter Dinge weiterfliegt, bin ich sogar ein bisschen stolz auf mich und meine neu gewonnene Gelassenheit. In meiner Nase kitzelt ein leiser Duft von Harz.

Immer mit der Wald-Ruhe

Du bist neugierig geworden und kannst ein wenig Anleitung zum Loslassen gebrauchen? Die Naturschule Rabe bietet immer wieder Yoga- und Meditiationsstunden im Wald an.

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