Die Europäische Wildkatze gilt in Österreich offiziell als ausgestorben oder verschollen. Nun machen jedoch regelmäßige Funde und Beobachtungen Hoffnung – werden die scheuen Einzelgänger wieder Teil unserer Wälder sein?
Getigerte Hinweise kommen aktuell aus Niederösterreich (Hotspot: Weissenkirchen in der Wachau mit über 40 Sichtungen), Kärnten (Rosental) und Vorarlberg. Basislager der Wildkatzen in Österreich ist der Nationalpark Thayatal.
Im Juni 2020 häuften sich die Treffer in den aufgestellten Fotofallen und Lockstöcken. Die Holzstäbe sind mit einer Baldrian Duftnote versehen. Da der Geruch ihren Sexualhormonen ähnelt, reiben sie sich ganz verliebt an den Holzpflöcken, hinterlassen ihre DNA und versprühen dazu ihren Duft.
Wildkatze versus Stubentiger
Die Europäische Wildkatze (Felis silvestris) ist zwar mit unserer Hauskatze verwandt, unsere "Stubentiger" (Felis catus) stammen jedoch von der Afrikanischen Wildkatze (Felis libyca) ab.
Sie sind erst vor 2.000 Jahren durch die Römer in das Hoheitsgebiet der Europäischen Wildkatze gebracht worden. Die Hauskatzen mussten sich nicht an die strengen Winter im Norden anpassen, weil Mensch ihnen einen warmen Platz vor dem Ofen sicherte.
Nur selten treffen sich Streuner und ihre wilden Verwandten. Trotzdem gibt es im Schweizer Jura beispielsweise vereinzelt Nachwuchs zwischen Wildkatzen und Hauskatzen – sogenannte Blendlinge, die eine potentielle Gefahr für die Europäische Wildkatzen bergen. Das Erbgut der domestizierten Tiger ist schließlich nicht an die Wildnis angepasst und könnte zum Nachteil der getigerten Ureinwohner Europas sein. Dazu stellen die Krankheiten der Hauskatzen eine Gefahr dar.
Im Unterschied zu den Heimtieren wirken die Europäischen Wildkatzen plumper, haben eine wuchtigere Kopfform und weisen einen buschigen, kürzeren Schwanz mit dunklen Ringen Richtung schwarzem Schwanzende auf.
In der Jägersprache wird das weibliche Tier "Katze" und das männliche Exemplar "Kuder" anstatt Kater genannt.
"Hauptwohnsitz" Thayatal
Im niederösterreichischen Thayatal liegt der kleinste Nationalpark Österreichs. Er misst 13,3 Quadratkilometer, welches nur ein Hundertvierzigstel seines großen Bruders – dem Nationalpark Hohen Tauern – entspricht.
Trotzdem wachsen dort an der Grenze zu Tschechien mehr als die Hälfte aller heimischen Pflanzenarten! Aufgrund des feuchten Klimas des Waldviertels und des pannonisch-trockenen Weinviertels hat sich ein Hotspot der Biodiversität gebildet.
In der Waldwildnis mit viel Totholz, mystischen Eichen- und Buchenwäldern finden die Wildkatzen ausreichend Verstecke. Die urtümlichen Waldgebiete mit Felsen, Trockenrasen zum Mäusefangen und der Thaya, die ihre Schlingen 26 km lang durch die Wildnis windet, bilden ideale Voraussetzungen für ihren Lebensraum.
Die schneearmen Winter kommen den scheuen Nachtjägern ebenso zugute, da die Europäische Wildkatze keinen Winterschlaf hält.
"Die Wildkatze ist ein Phantom!"
Christian Übl, Wildkatzenexperte
Seit den 50er-Jahren gilt die Wildkatze in Österreich als ausgestorben. Christian Übl, Leiter des Wildkatzenprojektes im Thayatal, ist überzeugt, dass es eine versteckte Wildkatzenpopulation im Nationalpark Thayatal gibt.
Prädikat "wilde Natur": Wildkatzen haben sehr hohe Ansprüche an ihren Lebensraum und der relativ junge Nationalpark, der im Jahr 2000 gegründet wurde, scheint ihren Anforderungen gerecht zu werden.
Mit einem Beweisfoto einer Wildkatze im Jahr 2003, startete nach weiteren Meldungen 2007 ein Wildkatzen-Projekt. Bis heute wurden 12 Individuen dokumentiert. Sehen wirst du die scheuen Jäger bei einem Besuch im Nationalpark Thayatal nicht. Das hat mit ihrer verborgenen Lebensweise zu tun. „Sie ist Einzelgängerin und nutzt die Dunkelheit des Waldes für ihre Streifzüge," erklärt Übl. Allerdings gibt es zwei getigerte Schönheiten, die im Gehege des Nationalparkhauses zu bewundern sind sind:
Highlight des Nationalpark Thayatal sind die beiden Wildkatzen Frieda und Carlo, die als Leihgabe vom Tiergarten Wels in einem Gehege des Nationalparkhauses ein Zuhause fanden.
Das Thayatal mit seinen milden Wintern, naturnahen Hangwäldern, unzulänglichen Seitentälern, den artenreichen Wiesen und dem breiten Nahrungsspektrum ist der ideale Lebensraum für die nachtaktiven Tiger.
Der Feind der wilden Katzen
Ihr größter Feind ist die Zerschneidung der Lebensräume durch den Menschen (Siedlungen, Landwirtschaft, Straßen) und damit verbunden Verkehrstoten durch Überqueren von Straßen. Fehlabschüsse infolge von Verwechslung von Hauskatzen bedrohen ebenso die scheuen Tiere.
Durch die intensivere Nutzung der Landschaft werden die Kleintiger in Restgebiete zurückgedrängt, wodurch sie anfälliger für Krankheiten und Inzucht sind.